Zum 31. Juli 2015 müssen Betriebe, die in ihren Ställen überdurchschnittlich hohe Mengen an Antibiotika einsetzten, einen Maßnahmenplan zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes vorlegen.
Dies ist auch dringend notwendig. Dass es immer mehr Krankheitskeime gibt, die sich mit Antibiotika nicht mehr bekämpfen lassen, weil die Bakterien gegen Antibiotika resistent geworden sind, ist längst ins allgemeine Bewusstsein gerückt. Noch sind nicht alle Mechanismen der Resistenzausbildung entschlüsselt. Doch es ist gewiss, dass die falsche Anwendung von Antibiotika und die massenhafte Anwendung von Antibiotika – egal ob in der Human- oder in der Tiermedizin – Resistenzen fördern. Zwar gibt es Unterschiede zwischen resistenten „Krankenhauskeimen“ und „Stallkeimen“, aber eine scharfe Trennung zwischen beiden Bereichen besteht nicht, da Resistenzen durch direkten Kontakt zwischen Menschen und Tieren wechselseitig sowie über Lebensmittel tierischer Herkunft übertragen werden können.
Mit globalen, europäischen und nationalen Aktionsplänen versucht die Politik, dem Problem zu begegnen. Dazu gehört auch, dass in Deutschland seit 2011 Daten zum Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung gemeldet werden müssen (s. BLOG Beitrag „Antibiotika im Stall – Mehr Absatzdaten, doch das Resistenzproblem bleibt bestehen“). Als zum ersten Mal Abgabemengendaten für Antibiotika veröffentlicht wurden, war das Entsetzen groß: 1700 Tonnen Antibiotika – und damit ca. 3 mal mehr als in der Humanmedizin – wurde 2011 in deutschen Tierställen eingesetzt (2012: 1.619 Tonnen, 2013: 1.452 Tonnen) (s. BVL Presseinformation vom 01.08.2014, korrigiert am 29.08.2014). Aber auch diese Zahlen beziffern nur einen Teil der in der Tierhaltung eingesetzte Antibiotikamenge, da die Mengen an Antibiotika in Arzneimittel-Vormischungen, die zur Herstellung eines Fütterungsarzneimittels zugelassen sind, nicht mit erfasst werden.
Der langen überfälligen Offenlegung der Verbrauchsmengen an Antibiotika folgte die tierartenspezifische Erfassung. Welcher Wirkstoff, wird in welcher Menge wie häufig bei welcher Tierart angewendet? Was ist die übliche Praxis? Hierzu veröffentlichte das BVL im März diesen Jahres zum erstem Mal sogenannte Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit für Rinder, Schweine, Hühner und Puten.
Nun wird anhand der tierartenspezifischen Angaben zum Antibiotikaeinsatz geprüft, ob die Tierhalter überdurchschnittlich viele Antibiotika einsetzen. Die eingeführte Kennziffer 1 beschreibt dabei die angewendete Menge an Antibiotika, die von 50% der Tierhalter eingesetzt wird. Wer als Tierhalter über diesem Wert liegt, muss zusammen mit seinem Tierarzt die Ursachen dafür ermitteln und ggf. Maßnahmen zur Reduzierung des Einsatzmengen ergreifen. Wer mehr einsetzt als 2/3 der Kollegen und somit die festgelegte Kennzahl 2 überschreitet, muss Antibiotikareduzierungsmaßnehmen umsetzen und diese in einem schriftlichen Maßnahmenplan der zuständigen Überwachungsbehörde vorlegen. Diese Maßnahmenpläne müssen nun erstmals bis zum 31. Juli vorgelegt werden. Auf der Suche nach den Gründen für die erhöhten Antibiotikagaben werden u.a. Angaben zum Krankheitsgeschehen, zur Diagnostik und zu vorbeugenden Maßnahmen abgefragt. Als wichtige Schaltstellen zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes werden Verbesserungen in der Stallhygiene, Maßnahmen im Bereich Fütterung, Einrichtung und Ausstattung der Ställe sowie bei der Wasserversorgung genannt. Aber sind das wirklich die relevanten Stellschrauben?
Schon im Vorfeld wurde Kritik darüber laut, dass viele Betriebe gar keine Angaben zum Antibiotikaverbrauch an die zuständigen Behörden geliefert hätten und somit die Kennzahlen auf einer unvollständigen Datenbasis erstellt worden seien. Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung hatten im Juni 2015 aufgedeckt, dass beispielsweise in Schleswig-Holstein 40 Prozent der Tierbestände und in Baden-Württemberg mehr als die Hälfte der Betriebe keine Daten gemeldet hätten. Somit besteht erhebliche Skepsis bezüglich der Aussagekraft der Kennzahlen und somit auch über den Erfolg der Maßnahmen.
PAN-Fazit: Um den flächendeckend hohen Antibiotikaverbrauch grundlegend zu verringern wäre es wichtig, dass endlich Impulse in Richtung veränderter Zuchtziele initiiert würden – Zucht auf Robustheit und Langlebigkeit statt Zucht auf Hochleistung und maximale Fleischzuwächse in kürzester Zeit, durch die die Tiere krankheitsanfällig werden.